Rückschau Kongress 2023 - Geschichten, die die Welt bewegen

07/2023


 

Vom 08. bis 10. Juni 2023 fand der internationale Kongress ‚Geschichten, die die Welt bewegen - Narrative Therapie und Philosophie im Dialog‘ im Zentrum Brunauer in Salzburg statt.
Die ÖAS richtete den Kongress, organisiert durch das Kongressteam mit Mag. Stefan Geyerhofer, Mag.a Elisabeth Ritter-Venier, Mag. Klaus Schmidsberger, Mag.a Gertraud Wiener-Schneider, Dr. Gerhard Walter, und zeitweilig Erik Zika, aus.  

Die ursprüngliche Überlegung war, Ideen, die im Rahmen narrativer Therapie entwickelt wurden und aktuelle, brisante philosophische Ideen mit führenden Vertreter:innen der narrativen Therapie und wichtigen Vertreter:innen unterschiedliche philosophischer Strömungen zu folgenden Themen dialogisch auszutauschen: Rassismus, Feminismus, Postkolonialismus, Ökologie, Gender und Migration.  

Abseits der Veranstaltungen wurden durch das Rahmenprogramm Möglichkeiten für persönliche Begegnungen inner- und außerhalb des Seminarzentrums geboten um den Teilnehmer:innen anregende und persönliche Momente des Kennenlernens und des gegenseitigen Erfahrungsaustausches zu ermöglichen.  

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Ich war sehr stolz, bei diesem Kongress dabei zu sein, in dem die therapeutische Haltung, der therapeutische Prozess und das Interdisziplinäre im Fokus standen.

Es war so eine gelungene Veranstaltung- voller guter vibes, anregender Themen und kollegialer Gespräche – es war ein Fest.

Die Vorträge vor vollem Saal, mit starker Frauenpräsenz und hochqualitativen Themen und Inhalten waren sehr anregend und inhaltlich besonders wertvoll. Atmosphärisch waren die 3 Kongresstage angenehm und entspannt, sodass Austausch und Gespräche fließend nach den Vorträgen und Workshops möglich waren. Die große Auswahl an Workshops sowie Pre-workshops sowohl mit konkret therapeutisch-relevanten Themen als auch mit interdisziplinären und philosophischen Inhalten boten ein abwechslungsreiches Angebot für unterschiedlichste Interessen.

Besonders wertvoll war die Internationalität der Vortragenden, Europa, Nordamerika und Australien, sowie der philosophische Blick mit brandaktuellen Themen und Diskursen wie z.B. „Critical Whiteness“, „Power and Privilege“, soziale Ungleichheit, „Global Ethics“ auf das therapeutische Arbeiten. Auch für unsere Ausbildungen sind diese Themen – Arbeit in nicht-dominanten Kontexten (!) sehr anregend. Wir bleiben dran!

Nochmals herzlichen Dank an das Kongressteam für diesen großartigen und wertvollen Beitrag für die ÖAS und ihr professionelles Sichtbar-werden!

Vorab muss ich meiner Begeisterung Ausdruck verleihen – es gibt Kongresse und Tagungen, da entscheidet man sich für einen Workshop und denkt dann irgendwann „Oh, vielleicht wäre es woanders besser gewesen – vielleicht versäume ich etwas“. Das ist mir beim internationalen narrativen Kongress 2023 der ÖAS im Juni in Salzburg kein einziges Mal passiert – ich war durchwegs begeistert von den Vorträgen, Workshops und Diskussionsrunden. Es war ein durchgängiges Gefühl von „Das war fantastisch- gut, dass ich genau jetzt da bin, das hätte ich nicht versäumen wollen“. Die Buntheit der Referent:innen aus unterschiedlichen fachlichen Disziplinen, aus unterschiedlichen Regionen unserer bunten Welt, mit unterschiedlichen Schwerpunkten hat es uns ermöglicht, wirklich das Gefühl zu haben, an welt-bewegenden Geschichten teilzuhaben und angeregt, diese auch mitzugestalten. 

Dass es die Option von Simultan Übersetzungen gab, machte es für alle Beteiligten wirklich fein, die Referent:innen zu erleben – eine klare Empfehlung für zukünftige Veranstaltungen – hier wurde sicherlich viel investiert – und es hat sich denke ich ausgezahlt – viele haben zum Ausdruck gebracht, wie wertvoll das war. Es war auch wunderschön, wie viele der (internationalen) Referent:innen während des gesamten Kongresses immer wieder in Workshop und Diskussionsgruppen als Teilnehmende dabei waren. So entstand eine hohe Bezogenheit aufeinander auf diesem Kongress. 

Ich konnte – so sehr ich es mir diesmal gewünscht hätte, nicht überall dabei sein – so vieles lief parallel. Hier daher ein Eindruck meiner persönlichen Reise durch die bewegte narrative Welt in Salzburg. 

Jeden einzelnen Vortrag und Workshop erlebte ich als aufrüttelnd – gerne hätte ich sie alle erlebt. Wir konnten viel lernen von Referent:innen – viele von Ihnen bekannte Figuren der narrativen Szene, aber eben auch jenen, die nicht „nur“ aus dem psychosozialen Bereich stammten. Mit Einblicken in die Biologie, Filmwelt, Geschlechterforschung, Kulturanthropologie, Philosophie, Politikwissenschaft, Sozialarbeit, etc. machten sie uns (aufs Neue) bewusst, wie schwer es ist, uns aus manchmal vielleicht viel zu wenig bewussten dominanten Diskursen hinauszubewegen – uns z.B. unseres systemimmanenten Rassismus bewusst zu sein, den wir gar nicht vermeiden können, an dem wir nicht schuld sind, für den wir uns nicht schämen müssen aber der uns verantwortlich macht, Verantwortung zu übernehmen. Uns als Psychotherapeut:innen Fragestellungen und Herausforderungen in Bezug auf Gender, Ökologie, Migration jenseits von Polarisierung zu nähern. Zu hinterfragen, ob es uns gelingt, Opfer von Gewalt und Unterdrückung, Betroffene von Herausforderungen durch Diskriminierung, Schicksalsschläge, Krankheiten, etc. durch unsere therapeutische Tätigkeit dabei zu unterstützen, aus der Verfestigung des Leides zu einer neuen Beschreibung der Hoffnung, des Gestaltens, der Autorenschaft zu gelangen. Ich finde diese Reflexion immens wichtig. Sind nicht auch wir Therapeut:innen manchmal gebannt vom dominanten Diskurs im Leben dieser Menschen und ihres Umfeldes? Schaffen wir es in einer sehr herausfordernden globalen Lage, Hoffnung zu bewahren – für uns und in uns, damit wir Klient:innen dabei begleiten können, wieder in ihre eigene, ganz subjektive Hoffnung zu kommen? 

Im Praeworkshop nahm Marie-Nathalie Beaudoin mich auf eine Reise in die Neurobiologie mit, um von dort über Möglichkeiten der Emotionsregulation nachzudenken, die durch Narrative Therapie unterstützt wird – Biologie trifft Narrativ. Mit Hugh Fox (UK) entdeckte ich nicht nur den vor langer Zeit gelesenen Artikel von Michael White im Umgang mit der Trauer um einen geliebten Menschen wieder, sondern erlebte nochmals konkret in der Begegnung mit anderen Teilnehmenden, wie erweiternd der narrative Zugang ist, wo aus der Trauer aufgebrochen wird, zu dem, was im heute noch in uns wirksam und kräftig ist. Gerhard Walters narrative Arbeit mit Paaren war eine inspirierende Anregung, hemmende und einengende Diskurse in Paarbeziehungen wahrzunehmen, anzusprechen und hilfreiche Transformationen in Richtung von Geschichten anzuregen, die Raum geben, Hoffnung entwickeln und die Beziehung neu erzählen lassen.  

Ob der Kongress die Welt bewegt hat? In Ansätzen bestimmt – denn viele von uns gingen bewegt, bestärkt und ermutigt wieder hinaus in ihre Alltagswelt. Danke an das Kongressteam für den Mut, diesen Kongress so international aber gleichzeitig auch so intim zu gestalten, dass Auseinandersetzung, Begegnung und Austausch so bereichernd möglich waren.